Im Rahmen des Performanceschwerpunktes präsentiert Neuer Kunstverein Wien eine gemeinsame Ausstellung ›Solo‹ des Malers Carsten Fock und des Choreographen William Forsythe, in der Parallelen der konzeptuell-prozessualen Arbeitsweise der beiden Künstler sowie ihre Auseinandersetzung mit der Gestik und Bewegung und Ausweitung des Körpers im Raum ausgelotet werden. In der Ausstellung wird die Videoarbeit ›Solo‹, 1997, in dem auch William Forsythe in seinem selbst choreografierten Stück zu sehen ist, mit der Malereinstallation von Carsten Fock in Dialog gestellt.
William Forsythe verbindet in seinen Choerographien den Bewegungscodex des klassischen Balletts und dessen geometrischen Ordnungsprinzipien, in dem die Körper wellenförmigen bis rechtwiklig gebrochenen Bewegungswegen ausgesetzt werden. Die Körperordnung des klassischen Balletts mit seinen harmonischen Beziehungen der Glieder und geometrisiert geführter Figurationen springt im Fluss eruptiver Bewegungen auseinander. Logische Strukturen und die Geometrien werden von Forsythe beliebig velängert, verkürzt, gespiegelt, gebrochen, durchschnitten, verdreht oder verschoben. Die Bewegungen der Tänzer bilden unsichtbare Strukturen aus Linien, Flächen und Ebenen, die immer wieder durch die körperliche Abläufe gebrochen werden.
mehr lesenSowie in seinen stets nur angedeuteten Figurationen, die kaum gebildet, schon wieder aufgelöst werden, wirkt Forsythes Körper auch in ›Solo‹ hermetisch und anziehend zugleich, entzogen wie selbstbezogen, in dem er entrückte und dahingewischte Körpererscheinungen formt. Auch die Tänzer in seinen Choreographien scheinen mit sich selbst bzw. allein mit anderen Tänzern beschäftigt zu sein. Die Aufmerksamkeit ist restlos auf ihre Bewegungen gerichtet. Ihr Tanzen dient weder primär der Repräsentation noch der Zurschaustellung tänzerischer Virtuosität, sondern zieht den Blick der Zuschauer in ihre vernetzten, virtuosen Bewegungsbahnen hinein.
In der Geschwindigkeit und Komplexitäts Forsythes Choreographien wird ihre organisierte Bewegungslogik uneinsehbar. Verantwortlich für diesen Gestus des Entgleitens und Entschwindens, des Vergessens und Verschwindens sind komplexe Re- und Dekonstruktionsverfahren, eine starke Beschleunigung der Bewegungsabläufe und ihre algorithmische Transformation, die körper- wie bühnenräumliche Vernetzung hervorbringen.
Die komplexen Bewegungsabläufe bei Forsythe weisen Parallelen in dem prozessualen Auftragen der Farbschichten in Carsten Fock’s Malerei auf. Die immer wiederkehrenden figurativen Formen, erkennbare Bilder aus Geschichte, Philosophie oder Popkultur, scheinen sich in einem abstrakten Geflecht des zeichnerisch-malerischen Gestus aufzulösen, um nur mehr als fragmentarische Konturen zu erscheinen. In seiner prozessorientierten Malerei wird die musterhafte Komposition, eine Art durchorganisierte Schablone oder Raster, die er vom Bild zu Bild entwickelt, die er dann aber wieder nach spontanen und reinem Gestus aussehen lässt, unsichtbar. Dieses mehrmalige Repetieren der eigenen Gestik geht Hand in Hand mit einem mechanischen, automatisierten Verfahren. So werden malerische Gesten und bildnerische Komposition von Carsten Fock immer wieder aufs Neue befragt und hinterfragt. Er lässt seine bildnerischen Gesten und konzeptuelle Schemata, bildnerische Konstruktion und Dekonstruktion in einem ständigen gegenseitigen Wettkampf treten, in dem Momente des Erinnerns und Vergessens, des Verschwindens und der Neubelebung ihr Echo finden.
Carsten Fock entwirft für seiner Malerei eine Art von Bühnenbild, indem er seine Malerei zum Teil der raumbezogenen Gesamtinstallation werden lässt. Carsten Fock macht seinen Ausstellungsraum selbst zum Thema, einmal lässt er die Wände quasi in der Luft schweben, einmal bekommen sie durch ihre Schräglage einen improvisierten, modellhaften Charakter.
In der Ausstellung im NKW bemalt Fock die ganze Wand mit einzelnen Pinselstrichen in einer gleichmäßigen Schraffur, die wieder einen rhythmischen Muster bilden und das Automatische, Schablonenhafte in Focks Malerei betonen.
So unterschiedlich die künstlerische Herkunft und künstlerische Mittel von William Forsythe und Carsten Fock sein mögen, so kongenial präsentieren sie sich — in dieser als Kooperation entstandenen Ausstellung — in ihren künstlerischen Überlegungen und Prozessen.
William Forsythe gilt als einer der führenden Choreografen weltweit. Seine Werke sind dafür bekannt, die Praxis des Balletts aus der Identifikation mit dem klassischen Repertoire gelöst und zu einer dynamischen Kunstform des 21. Jahrhunderts transformiert zu haben. Forsythes tiefgreifendes Interesse an organisatorischen Grundprinzipien hat ihn dazu geführt, ein breites Spektrum von Projekten in den Bereichen Installation, Film und internetbasierte Wissensentwicklung zu realisieren.
Carsten Fock, 1968 in Deutschland geboren. Lebt und arbeitet in Berlin und Wien.
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