Charlotte Gash

Gash Station

Charlotte Gash

Gash Station

Kuratiert von

Salvatore Viviano

Ausstellungstext von

Seth Weiner

Ausstellung

24 März – 09 Mai

Eröffnung

23 März 19:00

Ort

Rennweg 110-116

Realisiert dank freundlicher Unterstützung von

DS Smith

Chevy in the Hole

Mittlerweile ist alles Interessante über das Auto bereits geschrieben worden. Es ist die seltsame Telefonzelle, mit der man im öffentlichen Raum herumfährt, der gläserne Kasten, der durch die Landschaft pflügt. Auch wenn wir erkannt haben, dass das private Auto und die Städte, die darum entstanden sind, auf globaler Ebene einem Selbstmord gleichkommen, fetischisieren wir sie immer noch.

Als ich als Kind in Michigan aufwuchs, waren Autos ein kinderfreundliches Schaubild dafür, wie Außenpolitik in der Region wahrgenommen wurde. Ein Überbleibsel des Zweiten Weltkriegs: Autos standen für das „Andere". Deutsche Autos waren „gute“ ausländische Autos; zwar verpönt, weil sie ein Symbol für die Nazis waren, aber dennoch ein teures Statussymbol. Japanische Autos wurden infantilisiert, als Spielzeug bezeichnet und waren günstig und Treibstoff-effizient genug, um eine Bedrohung darzustellen. Koreanische Autos waren auf dem amerikanischen Markt noch nicht vertreten. Michigan war die Heimat der amerikanischen Autoindustrie, die regionale Identität fast ausschließlich von einer Industrie geprägt, die sich weigerte, diese Liebe zu erwidern.

Buick City.

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Als meine Familie in den späten 1980er Jahren in einen Vorort von Flint zog, hatte die Autoindustrie bereits begonnen sich zurückzuziehen. Fabriken wurden abgerissen und
ausgelagert, Arbeitsplätze automatisiert und outgesourct. Seit den späten 1970er Jahren hat Flint, die "Buick City", fast die Hälfte seiner Bewohner und mehr als 70.000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie verloren. Teile der Stadt wurden komplett von der Grundversorgung abgeschnitten; 2014 stellte man fest, dass das Grundwasser giftig war, aber abgesehen davon befindet sich die Stadt im Aufschwung.

Symbolisch für das Elend und die Frustration der Stadt war das Stigma, das ausländischen Autos in meiner Jugend anhaftete. Auf Parkplätzen zerkratzten die Leute sie mit Schlüsseln, schlugen absichtlich mit den Türen gegen sie und beschrieben sie mit rassistischen Schimpfworten. Aus diesem Grund sah man manchmal ausländische Autos ganz am Ende eines Parkplatzes abgestellt, isoliert und geschützt vor dem Hass der Einheimischen. Ein Autotheater, das in einer sublimen Choreografie den hoffnungslosen Untergang einer Ära vermittelte.

Meine Familie besaß bis Ende der 90er Jahre kein ausländisches Auto, bis Bunz (mein Vater) ein deutsches Modell kaufte. Abgesehen von Bedenken der Arbeitsproduktion, galt es für einen Juden immer noch als ein bisschen unkoscher, ein deutsches Auto zu fahren. Das konnte man auf dem Parkplatz unserer Synagoge sehen. Als wir das letzte Mal in Flint waren, war das nicht mehr der Fall. Autos stehen nicht mehr für das fremde "Andere", sondern sind inzwischen Geräte, die ihrer geografischen und lokalen Ideologie entledigt sind.

Doch zurück zu den Buicks.

Auf derselben Reise besuchten wir die jährliche Autoshow und sahen uns eine Parade mit aufgemotzten Sportwagen, Limousinen und Oldtimern an, die eine 11 km lange Strecke an der Saginaw Road entlangfuhren. Die Zuschauer säumten den Straßenrand, saßen auf Parkplätzen oder übrig gebliebenen Grünstreifen, um zuzusehen, wie ein Stück amerikanischer Geschichte vorbeifuhr. Mein Partner Claus sagte, es sei wirklich seltsam, dass die Leute mit dem Auto fahren, es parken, Gartenmöbel und Kühlboxen herausholen und sich dann vor ihre Autos setzen, um anderen Autos beim Fahren zuzusehen. Ich erinnere mich, dass ich mit ihr darüber sprach, wie sehr sich die Leute für die Ästhetik interessierten und davon inspiriert schienen. Für bestimmte Modelle hupten, jubelten und klatschten sie. Diese Maschinen sind die lokale künstlerische Sprache. Die meisten Leute sind damit aufgewachsen, sie zu „erkennen“ und ihren kulturellen und symbolischen Wert zu verstehen.

An diesem Nachmittag stellten die Menschen ihre pragmatischen und umweltbewussten Geräte ab, um alte Meisterwerke zu betrachten. Wie Museumsobjekte wurden diese seltenen Ausstellungsstücke aus dem Lager geholt, in kuratierte Kategorien eingeordnet und auf eine kurze Fahrt durch die Galerie der Straße mitgenommen. Als ich das sah, wurde mir bewusst, dass das Auto nicht länger einen Ausdruck politischer Identität darstellt. Die Epoche der exzessiven, ausdrucksstarken und raumbeherrschenden Industriekunst war vorbei. Das Tragische an der Situation war, dass die meisten dieser Artefakte zumindest teilweise in der Region hergestellt worden waren und eine ohnehin schon furchtbare Umweltkrise noch beschleunigten. Sie waren auf gestohlenem Land und mit geliehener Zeit gebaut. Und wir alle sind hingegangen, um sie zu bewundern.

Seth Weiner

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