THE DISAGREEMENT: A THEATRE OF STATEMENTS bringt elf zeitgenössische brasilianische Künstler:innen zusammen, deren künstlerische Praktiken aus den unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen stammen und somit auf ein breites Spektrum ästhetischer und politischer Anliegen hinweisen. Das Ensemble der Kunstwerke in dieser Ausstellung thematisiert daher nicht nur Brasiliens sowohl geschichtete als auch synkretistische Gesellschaft, sondern auch die ideologischen Widersprüche, die der zeitgenössischen künstlerischen Praktiken aus einer transkulturellen Perspektive innewohnen.
Diese Gruppenausstellung besteht aus Kunstwerken, die in verschiedenen Medien geschaffen wurden – Skulptur, Installation, Collage, Video, Malerei und Performance – und konfrontiert mit Erzählungen, die über die Unmöglichkeit reflektieren, ein gemeinsames Lexikon zu finden. Einem Lexikon, mit dem unausweichliche politische Themen wie Klassenkampf, Klimawandel, Identitätspolitik, heterogene Glaubenssysteme, das Erbe der symbolischen und materiellen Kultur und andere dringende Fragen der Gegenwart diskutiert werden können.
mehr lesenDa wir in einer Welt leben, in der hegemoniale Narrative historisch geschmiedet wurden, um den Status quo der Ungleichheit – sowohl in ethnischer, kultureller als auch in sozioökonomischer Hinsicht – aufrechtzuerhalten, wird das Land, das heute als Brasilien bekannt ist, hier als eine politische Bühne verstanden, auf der kapitalistische Kräfte Zonen extremer sozialer Ungleichheit geschaffen haben. Als ehemalige portugiesische Kolonie wandelte sich Brasilien zu einem unabhängigen monarchischen Reich, dessen enorme Ambitionen später einen Modernisierungsschub auslösten, um eine globale Wirtschaft aufzubauen, die von positivistischen Vorstellungen von technologischem Fortschritt durchdrungen war, ungeachtet der prekären sozialen Infrastrukturen und der massiven Verarmung der Bevölkerung.
Obwohl es sich nicht um eine Ausstellung handelt, die weder die brasilianische Geschichte noch die künstlerische Produktion unter die Lupe nimmt, geht THE DISAGREEMENT von den Widersprüchen aus, die diesem Land – und im Übrigen jedem anderen ehemals kolonisierten Land – anhaften, um die kulturellen und politischen Konflikte zu verschärfen, die unterschiedslos die zeitgenössischen politischen Manifestationen, ob künstlerisch oder nicht, prägen.
Inmitten einer sozialen Landschaft mit tiefgreifenden kulturellen Gegensätzen und politischen Dichotomien, signalisieren die Kunstwerke dieser Ausstellung unterschiedliche Wege der Auseinandersetzung mit sensiblen kulturellen und politischen Aspekten unserer Zeit. Während Cinthia Marcelle und Tiago Mata Machado in dem Video O Século (Das Jahrhundert) eine eher abstrakte Choreografie von Prekarität, Gewalt und Zerstörung inszenieren, taucht Ventura Profana in die Tiefen des Meeres ein, um das Leben der Vorfahren und seinen drohenden Untergang im Zuge der extraktivistischen Produktionsweisen des Kapitalismus zu thematisieren: Eine gewaltige Fotocollage, konfrontiert den Betrachter mit einer fragmentierten Landschaft, in der vielfältige materielle Realitäten miteinander in Konflikt stehen. Maurício Ianês gibt die Tätigkeiten eine:r Hausmeister:in in einer Aktion wieder, der:die die Böden des Kunstvereins reinigt, und unterstreicht damit die soziale Kluft zwischen der entwürdigenden, aber unverzichtbaren harten Arbeit der öffentlichen Angestellten – die oftmals von Immigranten verrichtet wird – und der Distanz der Bourgeoisie zu ihren extremen wirtschaftlichen Realitäten.
Wenn Daniel Lannes Selbstporträt in einer Badewanne einen Sinn für Hedonismus darstellt, wird Allan Weber sich gebrauchte Zelte aus Vinyl zu eigen machen, die für Funkpartys in der Gemeinde von Rio de Janeiro, in der er lebt, verwendet werden, um sie in fliegende Skulpturen über dem verwüsteten Gelände der Ausstellung zu verwandeln – oder, was das betrifft , über der extrem stratifizierten ehemaligen Hauptstadt Brasiliens. Darüber hinaus wird Luiz Roque auch von Tanzchoreografien ausgehen, um die Geschlechteridentität und marginalisierte Kulturen, wie die der Schwulen, ebenso ihre performative und kodierte Körpersprache zu beleuchten.
Während Vivian Caccuris Klanginstallation mit der Vorstellung eines unspezifischen Schreins oder ritueller Praktiken kokettiert, wird Tadáskía abstrakte Figuren im Dialog mit Goldfaden geflickte Eiern zeigen; als mögliche Anspielung auf die Schlangeneier, aus denen das Böse gedeiht, oder umgekehrt als Verweis auf die grundlegende Quelle von Proteinen zur Bekämpfung von Armut und Hunger. Auch die Installation von Ana Mazzei befasst sich mit dem Sinn für performatives Engagement und der Konstruktion einer Dramaturgie aus unausgewogenen Kräften: ein Ensemble von Objekten, die gleichzeitig obskure diskursive Zwecke verbergen und offenbaren. Und schließlich präsentiert Andressa Cantergiani eine Videoperformance, in der sie durch ein prekäres Museum gleitet und Leinwände plündert – letztlich Objekte, die den westlichen Erzählungen über Kunst und ihren intrinsischen Marktwert entsprechen.
Text von Bernardo José de Souza
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