Der Neue Kunstverein Wien präsentiert mit Barbara Hammer eine der wichtigsten Pionierinnen des queeren, feministischen Experimental- und Dokumentarfilms.
Die 1939 in Hollywood geborene Künstlerin hat mit mehr als 80 Werken nachhaltig an der Emanzipation lesbischer Lebensentwürfe, Liebe und Sexualität mitgewirkt. Seit 1968 arbeitet die feministische Aktivistin an Alternativen zu männlich und heterosexuell geprägten Filmsprachen.
›Selbst wenn die Charaktere lesbisch waren, entwarfen sie das Skript doch innerhalb einer heterosexuellen Welt des Rollenspiels, Liebemachens, des häuslichen und beruflichen Umfelds‹, schrieb Hammer. Mit ihrem Werk, ihren Themen und Erzählformen eröffnete sie nicht nur neue künstlerische Horizonte, sondern brach auch konsequent mit gesellschaftlichen Klischees und Konventionen.
mehr lesenHammer experimentierte mit filmischen Repräsentationen eines neuen lesbischen Selbstbewusstseins, das sich gerade erst aus gesellschaftlichen Tabus befreite. ›Unser Hauptanliegen war Sichtbarkeit — aus dem einfachen und traurigen Grund, dass Lesben, die Kino machten, wenige oder gar keine Bilder vorfanden. Für uns war die Kinoleinwand leer. Nicht nur marginalisiert, sondern gar nicht da. Es gab kein Kino, das wir dekonstruieren, es gab keinen Blick, den wir analysieren konnten. (…) Wir stellten uns in die Lücke, ins Unsichtbare, in den leeren Screen und nannten uns selbst‚ Lesben.‹
Die seit 1983 in New York lebende Künstlerin arbeitet über das filmische Werk hinaus auch mit Performance, Skulptur, Fotografie, Installation, Collagen und Zeichnungen.
War der Neue Kunstverein Wien schon bisher Sprachrohr für Künstlerinnen und ihre gesellschaftlich-emanzipatorische Positionen, so ruft er mit Barbara Hammer eine herausragende Künstlerin in Erinnerung, die entscheidend ein neues weibliches künstlerisches Bewusstsein und Selbstbewusstsein geprägt hat.
Der Neue Kunstverein Wien zeigt ›Double Strength‹, 1978, indem sie (Selbst-)Bildnisse lesbischer Beziehungen und Lebensläufe entwirft. Sie sucht nach einem aktiven, beteiligten und leidenschaftlichen Blick auf lesbischen Sex und erschließt tabuisierte Themen wie den weiblichen Orgasmus und die Menstruation ›Menses‹ (1974).
Hammers Filme zeigen den sozialen Raum ebenso wie den Körper und die Liebe als Arenen, die von Ängsten und Wünschen, Restriktionen durchdrungen sind.
Anfangs drehte Hammer auf 8mm mit der Handkamera. Sind Hammers Experimentalfilme bekannt für ihre materielle Präsenz und ihre malerischen Qualitäten, so teilen ihre Arbeiten auf Papier den gleichen sinnlichen und bisweilen expressiven Duktus. Sie entstanden parallel zu ihren filmischen Projekten oder — wie bei Tourist (1984) — als Bestandteil eines Animationsfilms. Ihre Filme sind intim und poetisch zugleich reflektieren Hammers Sehnsüchte und Kämpfe als lesbische Frau, kommentieren politische Ereignisse wie z.B. die Reagan-Ära. ›Blue Film No 6: Love Is Where You Find It‹ (1998) hingegen basiert auf Found Footage. Aus einem Pornostreifen — ein flotter Dreier — schneidet Hammer den männlichen Part heraus. Übrig bleiben die beiden Damen und eine amüsante Kurzfassung voyeuristischer Plattitüden und wie Hammer sagt: ›Als experimental Filmemacherin und lesbische Feministin, war ich immer der Meinung, dass radikale Inhalte radikale Formen verdienen.‹
Film-Retrospektiven im New Yorker MoMA (2010) und in der Tate Modern London (2012) und the Jeu de Paume (2012), ihre ersten monografischen Ausstellungen in KOW in 2011, 2013 und 2015 rufen aber nun die 1939 in Hollywood geborene Pionierin des Queer Cinema als eine Künstlerin ins Gedächtnis, die sich dem Feminismus und der homosexuellen Emanzipation ebenso verschrieb wie dem Avantgardekino und von grosser Bedeutung für eine nachfolgende Generation von Künstlerinnen und Filmemacherinnen ist.
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