Vom 23. Oktober bis 25. November 2020 präsentiert der Neue Kunstverein Wien unter dem Titel ›Let Us Now Praise Famous Men‹ einen Überblick über Werke von Francis Ruyter aus den Jahren 2009 bis 2020, die noch nie in Wien ausgestellt wurden. In kritischer Auseinandersetzung mit dem zunehmend erschütterten ›American Way of Life‹ gewinnen diese Arbeiten des letzten Jahrzehnts an Aktualität und Relevanz angesichts der Covid19-Pandemiebestimmungen und der sicher folgenden tiefen und tragischen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Millionen von Menschen, aber auch angesichts der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft durch Rassismus, Gewalt und Ungleichheit.
Schwarzer Montag an der Wall Street: Mit dem Zusammenbruch der Investmentbank ›Lehman Brothers‹ am 15. September 2008 erreichte die globale Finanzkrise ihren Höhepunkt — und die Wirtschaft stand unter Schock.
mehr lesenIm Jahr 2009 begann Francis Ruyter mit seiner Suche nach einer visuellen Darstellung dieser Krise, die sich schnell und unerbittlich auf die amerikanische Bevölkerung auswirkte, die innerhalb weniger Wochen Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Arbeitsplätze und Perspektiven verloren — in scharfem Kontrast zum idealisierten ›amerikanischen Traum‹, der in den amerikanischen Identitätskonstruktionen verwurzelt ist.
Ruyter griff eine Strategie der Aneignung auf und begann, Material für seine Gemälde aus der Ära der Großen Depression zu sammeln — Fotografien aus dem berühmten FSA/OWI-Archiv, das sich in der Library of Congress in Washington DC befindet. FSA-Fotografen wie Walker Evans und Dorothea Lange dokumentierten auf eindrucksvolle Weise die prekären Lebens- und Wirtschaftsbedingungen der Amerikaner, die dramatisch von den sozialen und ökologischen Folgen des wirtschaftlichen Scheiterns betroffen waren, machten auf die sozialen Probleme ihrer Zeit aufmerksam und schufen dabei grundlegende Bilder der amerikanischen Identität. Anhand dieses historischen Bildmaterials zieht Francis Ruyter Parallelen zu den gegenwärtigen sozialen Umwälzungen und dem/den entscheidenden Wendepunkt(en) des amerikanischen Selbstverständnisses und der amerikanischen Identität. In diesem Werk setzt er sein lebenslanges Erforschen der sich ständig verändernden Abbildungs- und Identifikationstechnologien fort und untersucht, welche Rolle diese bei der Vermittlung zeitgenössischer Krisen spielen könnten.
Die Ausstellung im Neuen Kunstverein Wien zeigt eindrücklich wie Ruyter mit Hilfe der Malerei die Zusammenhänge zwischen Kunst und Medientechnologien analysiert und sich gleichzeitig thematisch mit den Folgen des wirtschaftlichen und sozialen Umbruchs für die amerikanische Identität auseinandersetzt. Die Ausstellung besteht aus großformatigen Werken, die patriotische Demonstrationen und Proteste, die zu Fairness auffordern, zeigen. Sie dokumentieren Zeichen der Zeit, Porträts von Menschen, die sich an die durch Kriegszeiten und wirtschaftliche Notlagen geschaffenen Bedingungen anpassen oder Darstellungen von Schrotthaufen mechanischer Teile, die ebenso figurativ sind, sich aber als abstrakte Aussagen über die Auflösung konkreter Bilder lesen lassen.
›Let Us Now Praise Famous Men‹ weist Parallelen auf zu historischen Krisen des amerikanischen Selbstverständnisses und dient in seiner abstrakten Reduktion als alternative visuelle Erzählung; als Ausdruck persönlichen kritischen politischen Denkens und Engagements und als Aufruf zum kollektiven Widerstand.
weniger lesen