The Digital Effect

Hugh Scott-Douglas, Heinrich Dunst, Sophie Gogl, Philipp Timischl

The Digital Effect

Hugh Scott-Douglas, Heinrich Dunst, Sophie Gogl, Philipp Timischl

Ausstellung

25 Jun—5 Sep 2020

Eröffnung

24 Jun 19:00

Kuratiert von

Synne Genzmer und Kasia Matt-Uszynska

Ort

Rudolf-Sallinger-Platz 1, 1030 Wien

Gezeigt im Rahmen der Parallel Vienna 2020

22 Sep – 27 Sep 2020

Thanks to

Galerie Emanuel Layr, Galerie Nächst St. Stephan, Croy Nielsen, Galerie Zeller van Almsick

Photography

Manuel Carreon Lopez, kunst.dokumentation.com

Die Ausstellung The Digital Effect widmet sich der Frage, wie sich Künstler*innen mit den Effekten des Digitalen auf unsere mediatisierte Gegenwart und soziale Wirklichkeit auseinandersetzen und diese in ihren Arbeitsweisen, Strategien und Ästhetiken reflektieren. Bei den gezeigten Arbeiten der vier Künstler*innen Hugh Scott-Douglas, Heinrich Dunst, Sophie Gogl und Philipp Timischl wird überdies das Verhältnis zum Tableau vor dem Hintergrund digitaler Bedingungen verarbeitet oder dabei in andere Medien übersetzt.

Die Malerei als Raum, der Filmstreifen als Bild und zwischendurch zurück zu Marx: Die von der Konzeptkunst eines Marcel Broodthaers inspirierte Kritik am Kunstsystem schwingt sich bei Heinrich Dunst über die Analyse von Wort und Bild zum Medium Film auf, dessen Materialität und Schnittverfahren er durch die Mittel digitaler Reproduzierbarkeit appropriiert. Dunst zeigt in seiner neuen installativen Arbeit für die Ausstellung im NKW in einer Abfolge von Prints die Prozessualität seiner Praxis auf, die gegenwärtig nicht mehr ohne die schnellen Übertragungs- und Verbreitungsvorgänge des Digitalen gedacht werden kann. Die gezeigte Arbeit Projektion ist Dokumentation und gleichzeitig Paraphrase der 2019 vorangegangenen Ausstellung, unter dem Titel A. B. a. P. — Antonio Banderas as Picasso.

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Die Fotografien der Ausstellungssituation bilden einerseits die Grundlage für die wiederum digital montierten Ansichten der analogen Doublette der Ausstellung auf analogen Trägern aus Papier. Andererseits werden die Ausstellungsansichten auch Teil des Internets als einem Archiv von Abbildungen, die es ermöglichen, jene sich ebenso verdoppelnden (musealen) Ausstellungsräume international zu betrachten und zu betreten und dabei eine eigene Aura der Kunst generieren. Als fragmentierte Ausschnitte dokumentarischer Fotografien, die bearbeitet, rekonstruiert und ausgedruckt wurden, versteht der Künstler seine Arbeit als kritischen Reflex auf die, durch das allgegenwärtige Digitale erzeugte, zeitgenössische Situation der Kunst. Sie ist gleichzeitig eine Voraussetzung dafür, dass die Dokumentation des künstlerischen Prozesses selbst das Kunstwerk sein kann (Boris Groys, In the Flow, 2016).

Philipp Timischls Bilder verbinden freie Assoziationen aus gefundenen Textfragmenten, Film, Musik, Werbung und seinem Alltag, die er zu eigenen Poesien verwandelt und diese mit Digitaloder Analogfotografien, seinen Momentaufnahmen und Malereien zu tagebuchartigen Collagen auf Leinwand verdichtet. Indem er Perspektiven zwischen Nähe und Ferne verändert und Aufnahmen desselben Bildes zu unterschiedlicher Zeit vornimmt, verweist er nicht nur auf die zeitliche und örtliche Differenz als Grundlage von Narration, er lädt den Betrachter auch ein, sich eine eigene persönliche Geschichte zu erzählen. In seinen Arbeiten vereint er Versatzstücke gesellschaftlicher Realität und Repräsentation zu einem kritischen Diskurs über das Verhältnis von Wahrheit und Fiktion, Original und Fälschung, analoger und digitaler Welt und Realität und Sprache. So führt er in der Arbeit Truth and Truth, 2020 durch Doppelung eines Slogans, dessen Buchstaben er in einer Kombination aus unterschiedlichsten ›echten Materialien und deren ›falscher‹ Imitation der Leinwand einverleibt, den Begriff selbst ad absurdum. Die im NKW gezeigten Arbeiten lassen sich auch im Kontext einer größeren geplanten multimedialen Skulptur lesen, die die Medien Malerei und Video verbindet und deren installative Gegenüberstellung Timischl bereits seit einigen Jahren beschäftigt. In seinen neuen Gemälden spielt er auch mit ironischen Untertönen. Den scheinbar naiven Slogans in Kombination mit der Verwendung von Tapetenhintergrund, weißen Perlen und billigen Kristallen stehen Bilder mit spezifisch politischem Inhalt und mehrdeutigen Bezügen gegenüber. Der Dualität zwischen ernsten gesellschaftspolitischen Themen und der Kunst als intellektuellem Luxusgut setzt Timischl eine Übertreibung offensichtlicher Klischees und viel Humor entgegen. Timischls Werk belegt eindrücklich wie aktuell das Medium Malerei sein kann, indem er sich mit Klassenunterschieden, nationalen Grenzen und Privilegien, aber auch der damit verbundenen, zeitgenössischen Sprache und Zeichen auseinandersetzt.

Hugh Scott-Douglas arbeitet mit vielschichtigen Bildgebungsverfahren, die alte und neue Technologien miteinander kombinieren, wie natürliche Belichtung und durch Algorithmen generierte Formen, die er dann auf Leinwand überträgt oder in sequenziell angeordnete Bildserien übersetzt. Die für die Ausstellung neu produzierten Cyanotype-Prints basieren auf Zeichnungen von Günther Domenig & Eilfried Huth für das Projekt Floraskin, eine 1971 von Künstlern, Architekten, Soziologen, Psychologen und Kybernetikern als Alternative zum Massentourismus entworfenen Hotelanlage in Marokko. Als Skript eines unrealisierten Projektes von einer Musterschneidemaschine adaptiert, zeigen sie neue Strukturen, die ein unlimitiert erweiterbares System aus technologischen Megastrukturen und dem Prinzip natürlichen Wachstums bilden. Eine filmische Arbeit mit dem Titel ›over the paving stones, under the paving stones, the beach‹ ist eine Projektion mit 60 Dias, die auf Found Footage von einem 2006 aufgelassenen Kino basieren. Die Titelphrase aus dem berühmten Graffiti der 68er Studentenproteste in Frankreich hat der Künstler umgekehrt und in das geschnittene Archivmaterial des gefundenen 35-mm-Trailers als fragmentierten Text hinein collagiert. So ist eine Projektion entstanden, die von Sprache durchwandert wird.

Sophie Gogls künstlerische Praxis zeigt Interesse an den Mechanismen, die dazu führen, dass Bildmotive aus der allumfassenden Datenflut auftauchen und sich verbreiten. Aus einem erweiterten Malereibegriff heraus, versteht sie jedoch das Bild als Körper. Intuitiv nimmt sie darin Bezüge auf, die ihre subjektive, emotionale Verfasstheit gegenüber der durch digitale Medien bestimmten Gegenwart beschreiben und bringt ihre eigene Lesart der Wirklichkeit visuell zu Sprache, die von einer ›ambivalente Konstitution‹ bestimmt ist. Unruhe, Rage, Euphorie und Verlustangst, oder die Angst, sich selbst zu verlieren sind Emotionen, die der Künstlerin kreative Impulse geben, und deren Wert sie betont, um lebendig zu bleiben. Sie arbeitet mit fotografischen Vorlagen, Scans und Montagen und lässt sich vom Internet inspirieren: Was in seinen Anfängen als ›künstlerischer Raum für Nerds‹ Zuflucht bot, ist nun eine ›lukrative Maschine‹ geworden und ein Raum, der im Gegenzug künstlerisch ausgebeutet werden darf. Gogl zieht daraus Motive und Themen und setzt der fluiden Ortlosigkeit des digitalen Raums und seiner Marketinglogik eine gesteigerte Objekt- und Körperhaftigkeit sowie ihre persönliche Interpretation entgegen. Die drei gezeigten Arbeiten sind Erweiterungen ihrer letzten Ausstellung in der Galerie der Stadt Schwaz. Mit der Illusion verbrannten Papiers auf Leinwand spielt die Künstlerin mit dem inhaltlichen Anspruch an die Malerei, ebenso wie die auf Holz übertragenen Linien eines Collegeblocks als Medium des Schreibens, der schnellen Notiz oder persönlichen Erinnerungsstütze auf kreative Techniken verweisen. Der Farbton von Recycling-Papier ist ein ironischer Fingerzeig auf die Unmöglichkeit, im ökologischen Sinne ›ethische‹ Bilder herzustellen und die moralische Selbsterhöhung durch die Verwendung von umweltfreundlichem Material. Die Künstlerin verhandelt das Tableau als inhaltlichen Träger, nimmt aber gleichzeitig Bezug auf das mobile Tafelbild, die das Medium Malerei transportabel und vermarktbar macht.

Die Arbeiten der in der Ausstellung ›The Digital Effect‹ präsentierten Künstler wurden für die Parallel Vienna 2020 überarbeitet und transformiert. Die umgebaute Ausstellung zeigte Arbeiten der vier Künstler*innen in neuer Konstellation miteinander, darunter auch neue Videoarbeiten von Hugh-Scott Douglas und eine räumliche Intervention von Heinrich Dunst. Die nun fast vollständig verkleidete Wand der Ausstellungsfläche stellt eine – optisch einer Tapete gleichende - Verklammerung der Bilder von Sophie Gogl und Philipp Timischl her, die das Thema der Malerei buchstäblich zur Frage des Raums macht.

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