›alle gewehre aufs rathaus‹ wird heute fast ausschließlich im Kartenspiel Skat verwendet, ein Satz, mit dem der Spieler seinen Mitspielern anzeigt, dass er aufgrund vorzüglicher Karten nicht geschlagen werden kann und seine Karten offenlegt, ein Satz, der seinen historischen Ursprung in der zunehmenden Einschränkung des Rechtes privat Waffen zu besitzen findet, die sich in dem Gebot, sie im Rathaus abzuliefern, niederschlug. In seiner Doppeldeutigkeit liest sich der Satz auch als Aufforderung die Waffen gegen das Rathaus und gegen staatliche Bevormundung zu richten.
Ein Titel und eine Geschichte, die auf Mathias Pöschls Interesse an Ambiguität, historischer und kultureller Referentialität, dem Verhältnis von Erratik und Stringenz, Assoziation und Kausalität, historisch- wissenschaftlicher Objektivität und künstlerischer Subjektivität verweist.
mehr lesenDie Installation von Mathias Pöschl für den Neuen Kunstverein Wien vereint Malerei, Zeichnung, Skulptur und Collage und setzt spielerisch Farbe, Form und Narration in gegenseitige Referenz. Dabei greift er auf charakteristische Formen des Minimalismus zurück, die er in einen politischen, sozialen und kulturellen Kontext stellt.
Mit seinen Arbeiten in der Ausstellung stellt sich Mathias Pöschl in eine künstlerisch lange Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte der ›Flagge‹ und weckt Erinnerungen an die berühmten Flaggenexperimente und -variationen von Jasper Johns. Da ist eine gelb gestreifte Flagge zu sehen, die ihre Akzentuierung durch einen braunen an ihr aufgehängten Stoff erfährt. Das Motiv der Streifen führt er in einer Kreidezeichnung und der zentralen Skulptur der Ausstellung, einer ›Barrikade‹ aus Schutt, Karton und Styropor fort. Pöschls Flagge ist jedoch wie ein Negativ verkehrt gesetzt und verliert mit der Wegnahme des Stoffes ihre Bedeutung, die Barrikade ist aus
leichtem, wenig haltbarem Material. Was fest, klar und unverrückbar scheint, ist provisorisch, ephemär und in Auflösung. In dieser Dialektik von Ordnung, Chaos, der Abwesenheit von Form und Dauer, der Irreversibilität von Vorgängen wird auch Pöschls Nähe zu Robert Smithons Begriff der Entropie deutlich.
Die formale Auseinandersetzung mit der minimalen Art verschränkt Pöschl mit seinem Interesse für soziopolitische Inhalte und formt daraus seine ›sozialen Skulpturen‹. So bezieht er sich in der Ausstellung auf die Geschichte der schwarzen Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre. Mit seiner Installation untersucht er im Neuen Kunstverein Wien die Beziehung zwischen theoretischer Reflexion und politischem Aktionismus, Zwischen Denken und Tat. In einer seiner Collagen verweist er etwa auf Stokely Carmichael, Symbolfigur der schwarzen Bürgerbewegung im Amerika der 60er Jahre, der sich nach einer wissenschaftlichen Karriere der ›Black Panther‹ Bewegung anschließt, um sie letztlich aus ideellen Gründen wieder zu verlassen.
Mathias Pöschl, geboren 1981, lebt und arbeitet in Wien, wo er bis 2008 an der Akademie der bildenden Künste studierte.
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